Interview mit Elisabeth Veldhues, Landesbehindertenbeauftragte und BODYS-Beiratsmitglied

Theresia Degener und Elisabeth Veldhues, Foto: Julia Gottschick

"Sich einbringen, aufmerksam machen, publizieren!"

Anlässlich der Beiratssitzung von BODYS, dem Bochumer Zentrum für Disability Studies, sprach die Leiterin Prof. Dr. Theresia Degener am 24. Mai mit Elisabeth Veldhues, Beauftragte der Landesregierung NRW für Menschen mit Behinderung und Mitglied des Beirates von BODYS über aktuelle behindertenpolitische Themen:

Degener: Der Referentenentwuf der Bundesregierung für ein Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird von Menschen mit Behinderungen scharf kritisiert. Wie ist Ihre Position zu diesem Entwurf?

Veldhues: Zunächst bin ich erst einmal dankbar, dass dieser Entwurf da ist, damit wir nicht auf dem alten Recht sitzen bleiben. Den Einstieg in den Ausstieg aus der Sozialhilfe finde ich zunächst richtig. Dennoch muss der Text nachgebessert werden, denn ich finde ihn ein wenig halbherzig und die Schrittlänge dürfte ruhig etwas größer sein. Zum Beispiel finde ich die neu vorgesehenen Einkommensgrenzen nach wie vor zu niedrig. Ich finde es außerdem ärgerlich, dass man die Heranziehung des Ehepartnereinkommens erst 2020 regeln will. Und ein Knackpunkt für mich existiert beim Aspekt der Selbstbestimmung: das Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderung muss das unbedingt sichergestellt werden. Als Land wollen wir auf jeden Fall den Bund in die Finanzierungspflicht nehmen und verlangen einheitliche Standards und keine Regelungen je nach Kassenlage eines Bundeslandes.

Degener: Am 12. Mai hat der Bundestag das neue Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) verabschiedet - ohne private Rechtsträger zur Barrierefreiheit zu verpflichten. Wie sollte Ihrer Meinung nach die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit angehalten werden, so wie es die UN-BRK auch vorsieht?

Veldhues: Das Einfachste wäre es wirklich gewesen, Barrierefreiheit bei den Privaten auch im Gesetz zu verankern. Vielleicht gab es aber verfassungsrechtliche Bedenken, dass dies nicht erfolgt ist. Ich selber könnte mir vorstellen, Barrierefreiheit über das Vergaberecht zu regeln, etwa wie das Tariftreuegesetz in Nordrhein-Westfalen. Also überall dort, wo öffentliche Träger Vergabe tätigen, könnte Barrierefreiheit als verpflichtendes Kriterium verankert werden, vielleicht könnte man auch noch die Erfüllung der Beschäftigungsquote heranziehen. Das wäre der erste Schritt, den wir auch im Land zu gehen hätten.

Degener: Damit kommen wir zur Landesebene: In Nordrhein-Westfalen wurde das geplante Inklusionsstärkungsgesetz überraschend von der Tagesordnung des Landtages gestrichen. Was sind die Hintergründe für dieses Vorgehen und wie soll es mit diesem Gesetz weitergehen?

Veldhues: Nach meiner Kenntnis gibt es viele Änderungsanträge aus den Landtagsfraktionen zum Gesetz, vor allem, um die Konjunktivformulierungen wie "man könnte, man sollte, man müsste" zu präzisieren. Ich denke aber, dass der Gesetzentwurf im Juni ins Landtagsplenum kommen wird, denn ab Januar 2017 ist Wahlkampf und dann sollte das Gesetz in Kraft sein.

Degener: Wie sehen Sie als Beiratsmitglied die Rolle von BODYS, einem menschenrechtsorientierten Forschungszentrum für Disability Studies, in diesen gesamten politischen Prozessen auf Bundes- und Landesebene?

Veldhues: Ich bin gerne in Ihrem Beirat und habe mit großem Interesse Ihre Stellungnahme, gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Köln zum Inklusionsstärkungsgesetz gelesen. Ich denke, dass es neben der Forschung genau Ihr Job ist, solche Dinge der Politik praxisbezogen nahezubringen und mit großem wissenschaftlichem Hintergrund zu belegen. Das bedeutet eine große Hilfe für mich, wenn Sie zur Verbesserung der Gesetze Laut geben. Kurzgefasst sehe ich die Rolle von BODYS wie folgt: "Sich einbringen, aufmerksam machen, publizieren!"

Degener: Vielen Dank für das Gespräch!

Zurück