Bericht zur Veranstaltung „Wege finden- Erwachsen werden“

Am Dienstag, den 1. September 2021, lud das Team des Projekts „BeWEGt – Wegbegleitende Beratung von Familien mit Kindern mit Beeinträchtigungen“ zur dritten digitalen Veranstaltung „Erwachsen werden“ aus der Themenreihe "Wege finden" ein.

Herr Joel Rombey, Student der Psychologie, und Herr Marcel Renz, freier Journalist, Autor und Blogger, gaben an diesem Abend Einblicke in ihr Leben als junge Menschen mit erworbener bzw. angeborener Beeinträchtigung.

Joel Rombey

Nach seinem Abitur an der Heinrich-Heine-Gesamtschule studiert Herr Rombey derzeit Psychologie in Aachen. Als 17-Jähriger hatte er einen schweren Badeunfall mit der Folge einer hohen Querschnittlähmung und einer Tetraphlegie. Nach seinem fast einjährigen Krankenhausaufenthalt suchte er nach einer Schule in Aachen, um sein Abitur zu absolvieren. Eine Rückkehr zu seiner ehemaligen Schule konnte auf Grund der baulichen Voraussetzungen nicht realisiert werden. In Aachen erklärte sich jedoch kein Gymnasium bereit, ihm die Fortsetzung seiner Schullaufbahn ermöglichen. Diese Ablehnung war für ihn sehr schwer zu bewältigen, da sein Selbstbewusstsein zu diesem Zeitpunkt sehr angegriffen war und Herr Rombey sich noch mitten in der Verarbeitung seiner neuen Lebenssituation als junger Mensch mit Behinderung befand.

Eine Schule mit dem Förderschwerpunkt für körperliche und motorische Entwicklung hat Herrn Rombey vorübergehend aufgenommen, die Möglichkeit das Abitur zu absolvieren, bestand an dieser Schule jedoch nicht. Nach langer Suche erklärte sich die Heinrich-Heine-Gesamtschule bereit, Herrn Rombey weiter zu beschulen. Das Lehrpersonal bestärkte ihn in seinen schulischen und beruflichen Zielen und vermittelten ihm das Gefühl, keine Belastung zu sein. Im Gegenteil, sie sahen in seiner Beschulung eine Bereicherung, wie es im Rahmen der Inklusion verstanden wird. Auch wenn die Inklusion auf Gesetzesebene beschlossen und verankert ist, berichtet Herr Rombey, kommt es in der Umsetzung der Inklusion oftmals zu Schwierigkeiten. Die Gesamtschule, so Herr Rombey ging als positives Beispiel voran und hat sich dieser wichtigen Aufgabe angenommen.

Herr Marcel Renz schreibt als Experte in eigener Sache für Zeitschriften aus dem Inklusions- und Rehabereich und hält Vorträge über sein selbstbestimmtes Leben mit Duchenne Muskeldystrophie und Beatmung. Außerdem betreibt er den Inklusionsblog www.marcel-gibtgas.de

Marcel Rent

Herr Renz absolvierte an der Stephen-Hawking-Schule sein Abitur und studierte in Heidelberg Geschichte und Politik. Über seine Arbeit als Autor und Referent pflegt er viele Kontakte und Freundschaften, die er in seiner Jugend- und Studienzeit vermisst habe. Er berichtet, wie er auf dem Weg zum Studium manche Hürden nahm, aber auch immer wieder auf Menschen traf, die ihm den Alltag erleichterten, indem sie unkompliziert Hindernisse abbauten. Der Abbau baulicher Barrieren ist wichtig, aber viel entscheidender sind die handelnden Personen, so Herr Renz. „Inklusion muss in den Köpfen stattfinden.“ Damit dies gelingen kann, muss mehr über Behinderung gesprochen werden. Auch die Geschwister von Kindern mit Behinderung müssen, so Herr Renz, immer mitbedacht werden.

In sehr offener und beeindruckender Weise, berichteten die beiden jungen Männer, wie wichtig es sei, seine Behinderung anzunehmen und diese zu akzeptieren und dass dies kein einfacher oder gradliniger Weg sei. Sie bedankten sich bei ihren Eltern, die sie immer gefördert und gefordert haben, so dass sie jetzt die Möglichkeit haben, mit einer 24- Stunden Assistenz ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Im Anschluss an die beiden Vorträge fand ein reger Austausch zwischen den Referenten und den Teilnehmenden statt. Die rund 20 Teilnehmenden waren sich einig, dass Behinderung als Normalität angesehen werden muss. Dies beginnt bereits bei dem Begriff der Behinderung. Wird dieser, aus vermeintlicher Höflichkeit umschrieben, kann dies zu einem weiteren Aufbau von Barrieren führen. Als Belastung sehen die Teilnehmenden auch die oft erdrückende Bürokratie in Deutschland an. Zudem würde ihnen nicht selten suggeriert, für die Kostenträger und Gesellschaft teuer zu sein. Hierbei sollte bedacht werden, so Herr Rombey, dass Menschen mit Behinderungen keine finanzielle Last sind, sondern ein „Motor für Geldumverteilung“. Sie sind gleichzeitig Arbeitgeber für ihre Assistenznehmer und Konsument.

Auch mit einer Behinderung ist es möglich, viele Wege zu gehen, beschließt Herr Rombey den Abend. Dies bedeutet jedoch kleine Schritte und unkonventionelle Schritte zu gehen.

Die beiden Referenten erhielten von den Teilnehmenden sehr viel Zuspruch und Anerkennung für die Einblicke, die sie in ihre Lebenswege ermöglicht haben und den gelungenen Abend. Der folgende Chateintrag eines Familienvaters verdeutlicht dies: „Vielen Dank, insbesondere an die beiden Vortragenden. Ich habe sehr viel mitgenommen für meine Familie.“

(c) Bewegt

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